DAS PROJEKT


HINTERGUND

Das Pflegekind.

Infolge negativer Vorerfahrungen wie Missbrauch, Vernachlässigung oder Trennung von den leiblichen Eltern besteht für Kinder, die zeitweise oder auf Dauer nicht in ihrer Herkunftsfamilie verweilen können, ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen und Entwicklungsauffälligkeiten.[2,5,6] Da es für besagte Kinder häufig herausfordernd ist, Vertrauen in neue soziale Beziehungen zu fassen[9,12], ist die Bereitstellung eines sicheren und stabilen Umfelds von essenzieller Bedeutung.[7] Dieses Umfeld kann den Kindern durch die Unterbringung in einer Pflegefamilie gegeben werden.[10,13]

Die Pflegefamilie.

Indem Pflegeeltern Kindern ein Zuhause auf Zeit oder auf Dauer bereit stellen, erfahren die Kinder Sicherheit, Zuwendung, Förderung und Geborgenheit. Dabei ist die Kontinuität der Betreuungspersonen von großer Bedeutung, um enge Beziehungen innerhalb der Pflegefamilie aufbauen zu können. Durch die Unterbringung in Pflegefamilien können Kinder ein geregeltes Familienleben und eine beschützte Kindheit außerhalb ihrer Herkunftsfamilie erfahren. Eine Pflegefamilie gilt in der Regel als beste Alternative für Kinder die eine Unterbringung außerhalb der leiblichen Familie benötigen.[1]

Mögliche Herausforderungen.

Der Umgang mit möglichen Verhaltensauffälligkeiten oder / und emotionalen Belastungen der Pflegekinder ist oft mit Konflikten verbunden und fordert individuell angepasste Erziehungsmaßnahmen in der Pflegefamilie.[4,8] Das notwendige hohe Maß an Aufmerksamkeit für das Pflegekind und die Bewältigung eines Alltags mit diesen Herausforderungen ist nur gering mit einer eigenen beruflichen Tätigkeit zu vereinbaren. Zudem ergeben sich für Pflegefamilien häufig weitere Belastungen, wie bspw. eine unklare zeitliche Perspektive der Unterbringung oder die Erweiterung ihres sozialen Umfeldes durch den Kontakt zur Herkunftsfamilie des Pflegekindes.[11] Insgesamt reichen die Aufgaben, die Pflegeeltern für ein ihnen in der Regel bislang fremdes Kind übernehmen, von der Versorgung (Essen, Kleidung, Schlafplatz), über die Übernahme der Verantwortung bis hin zur Bereitstellung von Bindungsangeboten. Darüber hinaus kommen Kontakte mit Institutionen wie Jugendämtern, Schulen oder Gerichten sowie mit der Herkunftsfamilie hinzu. Im Spannungsfeld zwischen dem Status als „Leistungserbringer“ der Jugendhilfe und privater, ehrenamtlich engagierter Familie, haben Pflegeeltern zusammengefasst eine Vielfalt an gesellschaftlichen und rechtlichen Erwartungen und Aufgaben zu erfüllen, gleichzeitig jedoch nur wenige Rechte. Letztere sind in der Regel dadurch begründet, dass das Sorgerecht oftmals noch bei den leiblichen Eltern liegt.


Die Vielzahl an herausfordernden Aufgaben mit denen Pflegeeltern konfrontiert werden, werden nicht grundsätzlich als belastend wahrgenommen. Lassen sich diese Aufgaben bewältigen, können sie eine positiven Einfluss auf das Wohlbefinden der Pflegeeltern haben, da die Meisterung als Erfolg verbucht werden kann.[3] Allerdings geraten einige Pflegeeltern in ihrem Wunsch den Bedürfnissen der Pflegekinder gerecht zu werden im täglichen Miteinander teilweise an ihre eigenen Grenzen. Wenn Menschen mit vielen Belastungen konfrontiert sind, für deren Bewältigung sie keine / nicht ausreichend eigene Ressourcen zur Verfügung haben, erleben sie ein Gefühl der Überforderung was mit einem hohen Leidensdruck und Versagensängsten einhergehen kann.

Die emotionale Überlastung der Pflegeeltern ist der stärkste Prädiktor für einen (erneuten) Platzierungswechsel des Pflegekindes.[4] Dies bringt eine Instabilität der Beziehungspersonen mit sich und kann negative Einflüsse auf die Entwicklung und psychische Gesundheit des Pflegekindes zur Folge haben.[7] Auch für die Pflegeeltern kann dieser Platzierungswechsel aufgrund von Versagensgefühlen und der wahrgenommenen Überforderung mit negativen Folgen für die eigene psychische Gesundheit einhergehen.

Es ist folglich von immenser Bedeutung, den negativen Kreislauf von Aufnahme eines Pflegekindes, potenzieller Überforderung von Pflegeeltern und Platzierungswechsel zu durchbrechen und den Pflegeeltern kontinuierlich eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Form von Unterstützung und Entlastung im Alltag mit dem Pflegekind anzubieten. Dies ist nicht nur für die Aufrechterhaltung der psychischen Gesundheit und Lebensqualität der Pflegefamilie essentiell, sondern auch für die langfristige Entwicklung des Kindes von herausragender Bedeutung.


UNSERE ZIELE

Damit eine kontinuierliche, geregelte und funktionierende Pflegefamilie gelingen kann, bedarf es insbesondere einer ausführlichen und umfassenden Vorbereitung der Pflegeeltern. Darüber hinaus müssen die Eltern im Alltag mit dem Pflegekind aktiv gestärkt sowie konstant unterstützt und entlastet werden. Dafür müssen leicht zugängliche und unkomplizierte Kommunikationsmöglichkeiten mit zentralen Akteuren im Betreuungsnetzwerk des Kindes (z.B. Jugendamt/ freien Trägern, Therapeut*innen, KiTA/ Schule und Herkunftsfamilie) ermöglicht werden. Bislang ist das Angebot an solchen Vorbereitungs-, Betreuungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für (zukünftige) Pflegeeltern zu gering.

Das GemeinsamStark Projekt widmet sich der Frage, wie Pflegeeltern durch interaktive neue Technologien bei den vielfältigen Herausforderungen des Pflegeeltern-Alltags unterstützt werden können. Geplant ist eine solche Unterstützung durch die innovative App “GemeinsamStark”, welche die oben genannten Aspekte durch flexible, interaktive und digitale Tutorials, Hintergrundinformationen, Soforthilfemöglichkeiten und digitaler Vernetzung (z.B. sichere Online-Chat-Funktionen) adressiert. Dabei soll die “GemeinsamStark”-App Mindeststandards für die Pflegekinderunterbringung und -versorgung setzen und Pflegefamilien kontinuierlich im Alltag unterstützen. Die Vernetzung der Akteure ermöglicht eine lückenlose Kommunikation und Information und stärkt so die Handlungskompetenz der Pflegeeltern.

Um sicher zu stellen, dass die App wirklich die Bedürfnisse von (zukünftigen) Pflegeeltern abdeckt, werden Pflegeeltern, ihre Einschätzung und ihr Feedback kontinuierlich bei der Entwicklung der App integriert. Das Ziel unserer App ist die tatsächliche Entlastung von Pflegeeltern, eine Verbesserung der Lebensqualität von Pflegeeltern und Kindern und idealerweise eine Verbesserung der Pflegesituation für die Pflegeeltern und das Kind.


HELFEN SIE UNS

Sind oder waren Sie Pflegemutter oder Pflegevater? Dann sind wir bei der Entwicklung unserer App auf Ihre Hilfe angewiesen! Um sicherzustellen, dass die App auf Ihre Bedürfnisse als Pflegeeltern ausgerichtet ist und Ihnen Unterstützung und Entlastung im Alltag bietet, bitten wir Sie ausdrücklich, an unserer Umfrage teilzunehmen.

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Herzlichen Dank für Ihre Mithilfe bei der Stärkung von Pflegeeltern!



Wer WIR sind

PFAD e.V.

Der PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V. fördert seit 1976 die Selbsthilfe-Organisationen von Pflege- und Adoptivfamilien und vertritt ihre Interessen. Der Verband bietet Pflege- und Adoptiveltern sowie Fachkräften der Jugendhilfe ein umfangreiches Angebot an Veranstaltungen, Seminaren und Vorträgen und setzt sich in politischen und fachlichen Gremien und Kooperationen mit anderen Verbänden und Experten verschiedenster Fachrichtungen dafür ein, dass möglichst viele Kinder gut in kompetenten Familien aufwachsen können. Seit 2017 besteht eine enge Kooperation mit der KJP in Aachen, insbesondere, um einen partizipativen Ansatz der Forschungsarbeiten zu Pflegekindern und Eltern-Kind Interaktionen zu verwirklichen.  PFAD e.V. und KJP initiierten gemeinsam eine Petition für einen nationalen Aktionstag für Pflegefamilien, der erstmalig im Mai 2021 online stattfand. In der gemeinsamen Arbeit der letzten Jahre wurde immer deutlicher, dass solche isolierten Interventionsangebote nicht ausreichen, um Pflegefamilien adäquat auf die Herausforderungen im Alltag mit einem Pflegekind vorzubereiten und die Pflegefamilien in ihrem täglichen Miteinander zu unterstützen. Dies war die Motivation für den vorliegenden Projektantrag.

PFAD Website

Vertreter in diesem Projekt: Luise Essen, Ulrike Schulz

KJP

Die Sektion Neuropsychologie (Prof. Dr. Kerstin Konrad) der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) der Uniklinik RWTH Aachen forscht seit viele Jahren im Bereich des Pflegefamilienwesens. In vorangegangenen Studien wurden die neurobiologischen Folgen und der Entwicklung von psychischen Auffälligkeiten bei Pflegekindern intensiv erforscht und Studien zur Verbesserung der Eltern-Kind-Interaktion oder zur Minderung des Re-Viktimisierungsrisikos durchgeführt. Hierbei kamen bereits technologie-gestützte Formate zum Einsatz. Ferner besteht zwischen der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und dem Jugendamt der Stadt Aachen und der Städteregion Aachen eine langjährige Zusammenarbeit, sowohl im Rahmen der Klinik als auch im Rahmen gemeinsamer Forschungsprojekte. Online- Psychotherapie und die entsprechende Software wurde im Rahmen der Lehrpraxis für Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie (AKIP) an der Klinik etabliert. Ferner ist die Vermittlung der Methoden und Ergebnisse der Forschungsarbeit für betroffene Kinder und ihre Angehörigen in einfacher Sprache und in Form von ansprechenden Videomaterialien ein großes Anliegen der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Konrad.

KJP Website

Vertreter in diesem Projekt: Prof. Dr. Kerstin Konrad, Alina Theresa Henn

AVMZ

Das Audiovisuelle Medienzentrum (AVMZ) der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen University verfügt über langjährige Erfahrungen in der Aufbereitung von medialen Lerninhalten für die verschiedenen medizinischen Studiengänge und Schulen der Medizinischen Fakultät bzw. der Uniklinik RWTH Aachen. Im Hinblick auf die medientechnische sowie softwaretechnische Realisierung, die Mediendidaktik sowie die Gestaltung und Durchführung der Produktionsprozesse von E-Learning bringt das AVMZ die erforderliche Expertise ein.

Das mediendidaktische Konzept für die „GemeinsamStark“ App baut auf Vorarbeiten auf, die das AVMZ in verschiedenen Kooperationsprojekten in unterschiedlichen Fachgebieten der Medizin durchgeführt hat. In diesen Projekten hat das AVMZ ein breites Spektrum an Erfahrungen mit der Entwicklung von innovativen interaktiven Medienformaten (z.B. unterschiedliche interaktive Videoformate, Serious Games oder Virtual Reality) sowie Lehr-/Lernszenarien gesammelt und kann in dem beantragten Projekt auf Software zur Entwicklung interaktiver Lernmedien aufbauen.

AVMZ Website

Vertreter in diesem Projekt: Martin Lemos, Dr. Laura Bell


Das Team im Einzelnen



FÖRDERUNG

Förderkennzeichen: 16SV9023

Weitere Informationen zur Förderung finden Sie auf den folgenden Seiten:

BMBF Bekanntmachung - Technologiegestützte Innovationen für Sorgegemeinschaften

BMBF Projektsteckbrief




Referenzen:
  1. Dozier, M., Zeanah, C. H., Wallin, A. R., & Shauffer, C. (2012). Institutional Care for Young Children: Review of Literature and Policy Implications. Social issues and policy review, 6 (1), 1–25.
  2. Goemans, A., van Geel, M., van Beem, M., & Vedder, P. (2016). Developmental outcomes of foster children: A meta-analytic comparison with children from the general population and children at risk who remained at home. Child maltreatment, 21(3), 198-217.
  3. Jespersen, A. (2011). Belastungen und Ressourcen von Pflegeeltern: Analyse eines Pflegeeltern-Onlineforums.
  4. Konijn, C., Admiraal, S., Baart, J., van Rooij, F., Stams, G. J., Colonnesi, C., ... & Assink, M. (2019). Foster care placement instability: A meta-analytic review. Children and Youth Services Review, 96, 483-499.
  5. Lange, S., Shield, K., Rehm, J., & Popova, S. (2013). Prevalence of fetal alcohol spectrum disorders in child care settings: a meta-analysis. Pediatrics, 132(4), e980-e995.
  6. Leve, L. D., Harold, G. T., Chamberlain, P., Landsverk, J. A., Fisher, P. A., & Vostanis, P. (2012). Practitioner review: children in foster care–vulnerabilities and evidence‐based interventions that promote resilience processes. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 53(12), 1197-1211.
  7. McGuire, A., Cho, B., Huffhines, L., Gusler, S., Brown, S., & Jackson, Y. (2018). The relation between dimensions of maltreatment, placement instability, and mental health among youth in foster care. Child abuse & neglect, 86, 10-21.
  8. Nadeem, E., Waterman, J., Foster, J., Paczkowski, E., Belin, T. R., & Miranda, J. (2017). Long-term effects of pre-placement risk factors on children’s psychological symptoms and parenting stress among families adopting children from foster care. Journal of Emotional and Behavioral Disorders, 25(2), 67-81.
  9. Reindl, V., Schippers, A., Tenbrock, K., Job, A. K., Gerloff, C., Lohaus, A., ... & Konrad, K. (2021). Caregiving quality modulates neuroendocrine and immunological markers in young children in foster care who have experienced early adversity. Journal of Child Psychology and Psychiatry. doi: https://doi.org/10.1111/jcpp.13488. Online ahead of print.
  10. Roy, P., Rutter, M., & Pickles, A. (2000). Institutional care: risk from family background or pattern of rearing?. Journal of child psychology and psychiatry, and allied disciplines, 41(2), 139–149.
  11. Scheiwe, K., Schuler-Harms, M., Walper, S., & Fegert, J. M. (2018). Pflegefamilien als soziale Familien, ihre rechtliche Anerkennung und aktuelle Herausforderungen. Jahrbuch des Pflegekinderwesens.
  12. Symanzik, T., Lohaus, A., Job, A. K., Chodura, S., Konrad, K., Heinrichs, N., & Reindl, V. (2019). Stability and change of attachment disorder symptoms and interpersonal problems in foster children. Mental Health & Prevention, 13, 35-42.
  13. Tizard, B., & Hodges, J. (1978). The effect of early institutional rearing on the development of eight year old children. Journal of child psychology and psychiatry, 19(2), 99-118.